CIS/Sommersemester 2000
Proseminar: Syntax
Dozent: Dr. Daniel Schnorbusch
Referent: Wolfgang Mederle
Datum: 10.07.2000
Exkurs: Rhema Der Fremdwörterduden erklärt Rhema wie folgt: Dazu ein schönes Beispiel aus der Textlinguistik des Spanischen, das ich aus dem Netz gefischt habe: Érase una vez un rey. ... [wörtl.: Es war sich einmal ein König]. Wenn Sie diese Zeile lesen, wissen Sie intuitiv sofort, welche Art von Text dadurch eingeleitet wird: ein Märchen. Es handelt sich hierbei um ein für diese Textsorte charakteristisches Erkennungsmerkmal, das darüber hinaus eine wichtige Funktion im Text erfüllt: die Vorstellung des Themas. Mit der Formel érase una vez werden die Personen eingeführt, über die im folgenden etwas erzählt wird. Untersucht man die Informationsstruktur des Textes, so wird das Subjekt des Satzes un rey durch die Einleitungsformel als Rhema, d.h. als Neuinformation präsentiert, was auch am Gebrauch des unbestimmten Artikels un deutlich wird. Würden Sie nun aufgefordert, diesen Text weiterzuführen, verwendeten Sie vermutlich entweder ein Verb ohne explizites Subjekt - Tenía tres hijas, ... [wörtl.: Hatte drei Töchter Personalpronomen im Spanischen hier nicht notwendig] oder ein Demonstrativum - Este (rey) tenía tres hijas, ... [wörtl: Dieser (König) hatte drei Töchter] als Rückverweis auf die bereits aus dem vorangegangenen Satz bekannte Information. Das Rhema des Einleitungssatzes wird somit zum Thema des Folgesatzes.[2] |
Die Thematizität des OBJ allein erlaubt noch nicht seine Voranstellung vor das SU. Beispiel:
Beim Überfliegen dieses Zeitungsartikels habe ich nur das Wort "freie Marktwirtschaft" gelesen. Was stand denn dort in dem Artikel?
Es heißt dort, daß der freien Marktwirtschaft der DGB-Vorsitzende vorsätzlich Schaden zugefügt hat.
Obwohl im zweiten Satz die "freie Marktwirtschaft" durch den ersten Satz thematisiert ist, kann sie nicht vor dem Subjekt stehen, da sie nicht Mitteilungszentrum nach obiger Definition ist.
Auch bei der Topikalisierung wird das Thema an die erste Stelle vor das finite Verb gerückt und verdrängt so das SU. Dies muß jedoch von der Verschiebung im obigen Sinne unterschieden werden:
Fazit: Das Mitteilungszentrum beeinflußt die Topikalisierbarkeit nicht.
Konverse Verben haben (in etwa) die gleiche Bedeutung, aber verschiedene Perspektiven, z.B. mögen/gefallen
Sepp mag Jacqueline.
Jaqcueline gefällt Sepp.
Bei beiden Sätzen kann sowohl SU als auch OBJ Thema oder Rhema sein. Trotzdem ist folgende (Um-)stellung im Mittelfeld ungrammatisch:
Ich glaube, daß das Buch der Alm-Öhi mag.
Sehr wohl funktioniert aber diese Umstellung:
Ich glaube, daß das Buch dem Alm-Öhi gefallen hat.
Ich glaube, daß dem Alm-Öhi das Buch gefallen hat.
Begründung: Bei dem Verb mögen ist die aktive Rolle des SU so sehr betont, daß nur dies das Mitteilungszentrum sein kann.
Bei Verben, die in gewissen Fällen das Objekt zum Agens machen ("psychische" Verben wie auffallen, anekeln, überraschen etc.) ist das OBJ häufig Mitteilungszentrum:
Der weiße Mercedes ist dem Polizisten aufgefallen.
Das gleiche gilt für Verben wie gelingen, fehlen, folgen oder "symmetrische" Verben wie ähneln, begegnen.
Bei diesen Verben kann, im Unterschied zu anderen, sogar ein Personalpronomen im OBJ die 1. Position einnehmen:
Mir glückt heute alles.
Wenn das SU "niemand" und das OBJ eine definite NP ist, ist die Umstellung zu OBJ SU im Mittelfeld ebenfalls leicht möglich:
Ich glaube, daß niemand dieses Buch mag.
Ich glaube, daß dieses Buch niemand mag.
Begründung: "niemand" kann kein Agens sein, weshalb das OBJ zum Mitteilungszentrum werden kann.
Zusammenfassend: Die Umstellung SU OBJ zu OBJ SU im Mittelfeld ist häufig dann möglich, wenn das OBJ Mitteilungszentrum ist und das SU nicht das Mitteilungszentrum durch seine Agens-Rolle dominiert.
Quellen
[1] Duden -- Fremdwörterbuch, Bibliographisches Institut, 4. Auflage, Mannheim 1982
[2] www.uni-giessen.de/~gb1017/ossws98.htm am 07.07.2000